[Januar 2020]
Haben Darmbakterien einen Einfluss auf Depressionen?
In und auf unserem Körper lassen sich etwa ein Drittel mehr Bakterien und andere Mikroorganismen nachweisen als wir eigene Zellen haben. Die meisten davon leben im Dickdarm. Mehr als 100 Milliarden (100.000.000.000) Mikroben lassen sich in einem Gramm Darminhalt feststellen. Dort kooperieren und konkurrieren sie und nutzen unter anderem das reiche Nahrungsangebot dort, um schwer verdauliche Bestandteile in neue Verbindungen umzusetzen und neue Substanzen freizusetzen. Die Gesamtheit all dieser mikrobiellen Mitbewohner im Menschen mitsamt ihren Lebensräumen und ökologischen Funktionen werden als "Mikrobiom" bezeichnet.
Einfluss des Mikrobioms auf die Gesundheit
Seit einigen Jahren widmet sich die Forschung der Frage, welchen Einfluss das Mikrobiom beim Menschen nicht nur auf die Darmgesundheit, sondern auf die Gesundheit im Allgemeinen hat.
Zu diesem Thema erscheinen jedes Jahr Tausende wissenschaftlicher Veröffentlichungen. Zusammenhänge sind bereits zwischen dem Mikrobiom und Darmentzündungen gefunden worden. Weitere Zusammenhänge werden weltweit untersucht.
Ist das Mikrobiom Schuld an Depressionen?
Bei der Suche Zusammenhängen zwischen Lebensqualität, Depressionen und den Bakterien im Darm haben ForscherInnen um Mireia Valles-Colomer und Prof. Dr. Jeroen Raes von der Katholischen Universität Leuven in Belgien herausgefunden, dass Darmbakterien möglicherweise die Stimmung eines Menschen beeinflussen können. In einer Studie, die im Februar 2019 im "Nature Microbiology" veröffentlicht wurde, stellten sie fest, dass Menschen, bei denen die Butyrat produzierenden Bakteriengattungen Faecalibacterium und Coprococcus im Darm gefunden wurden, eine erhöhte Lebensqualität angaben. Bei Menschen mit Depressionen kamen diese Bakterienarten vermindert vor.
Für diese Studie hatten Valles-Colomer und Raes mehr als 2.000 Stuhlproben untersucht. Ob allerdings die geringe Anzahl dieser Baktieren die Ursache oder die Folge der Depression ist - z.B. wegen veränderter Eßgewohnheiten - ist noch nicht untersucht worden. Vermutet wird, dass durch die vermindete Anzahl von Faecalibacterium und Coprococcus der Botenstoffhaushalt im Gehirn durcheinander gebracht wird und dies die psychische Gesundheit beeinträchtigt.
An der Universität Basel untersuchten ForscherInnen, ob sich durch Stuhltransplantationen die Mikrobiomzusammensetzung so verändert, dass dies einen Einfluss auf Depressionen hat. Die ersten Studien sind zwar vielversprechend, es muss aber noch weiter geforscht werden, bevor hier zuverlässige Therapien entwickelt werden können.
- Valles-Colomer M. et al. 2019. The neuroactive potential of the human gut microbiota in quality of life and depression. Nat Microbiol.
- Forster SC. et al. 2019. A human gut bacterial genome and culture collection for improved metagenomic analyses. Nat Biotechnol. 37(2):186-92.
- Zou Y. et al. 2019. 1,520 reference genomes from cultivated human gut bacteria enable functional microbiome analyses. 37(2):179-85.