Ist der Darm entzündet, leidet auch die Psyche
An der Tatsache ist kaum mehr zu rütteln: Darm und Hirn interagieren eng miteinander. Wer unter einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung (CED) leidet, hat ein höheres Risiko für Depression und Angststörung. Ist die Suche nach den Ursachen der Interaktion erfolgreich, könnten Patienten mit CED und Depression davon profitieren.
Das Risiko ist hoch: 20 bis 25 Prozent der PatientInnen mit CED leiden gleichzeitig an einer Depression, 20 bis 35 Prozent unter einer Angststörung, so Daten, die auf dem 19. Kongress der European Crohn’s and Colitis Organisation in Stockholm 21.–24. Februar 2024 vorgestellt wurden. Als Ursache werden vielfältige Interaktionen zwischen Gehirn und Darm vermutet, die sogenannte Darm-Hirn-Achse. An dieser Interaktion zwischen Darm-Hirn-Achse gibt es kaum Zweifel.
Verwiesen wird etwa auf den neuronalen Cross-talk zwischen den zentralen und dem enterischen Nervensystem („Bauchhirn“), über immunologische Botenstoffe und im Darm ansässige Mikroorganismen. Warum affektive Störungen und CED zusammenhängen ist dagegen eher unklar. Tatsache ist: Die psychische Belastung bei chronischen Erkrankungen ist generell hoch. Zudem können notwendige therapeutische Interventionen wie chirurgische Eingriffe oder Medikamente das Szenario belasten.
Henne oder Ei?
Eine große systematische Metaanalyse zeigte, dass bei einer CED ein 48 Prozent höheres Risiko für Depressivität und ein 55% höheres Risiko für Ängste besteht. Aber auch umgekehrt wird ein Schuh daraus. Patienten mit Depression entwickeln doppelt so häufig eine CED als psychisch Gesunde. Das wirft Fragen auf. Etwa, ob eine erfolgreiche CED-Therapie auch einen günstigen Effekt auf eine depressive Symptomatik hat ob die erfolgreiche Behandlung psychischer Störungen einen Einfluss auf die Prävalenz und den Verlauf von CED haben, und ob sich eine erfolgreiche CED-Therapie positiv auf psychische Symptome auswirke. Außer vorläufigen Hinweisen auf antiinflammatorische Effekte von Antidepressiva und günstigen Wirkungen von Biologika auf psychische Begleitsymptome gilt dieses Feld noch als weitgehend unbearbeitet.
Geforscht wird nun an einem besseren Verständnis des Zusammenspiels zwischen Darm und Hirn. Hier steht die Frage im Raum, wer zuerst da war, Henne oder Ei. Ein Plus an Kenntnissen über diesen Prozess könnte die Entwicklung innovativer Medikamente vorantreiben, zur Therapie der CED, eventuell aber auch affektiver Störungen. (bf)
Crossing borders in IBD: Session 7 – Gut brain axis – chicken or egg? 19. Kongress der European Crohn’s and Colitis Organisation, Stockholm, hybrid, 21.–24. Februar 2024. (Dr. Thomas M. Heim)
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