CED bald kausal behandeln?
Gegen das Organisationsdefizit im Bürstensaum
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) werden symptomatisch behandelt. Eine kausale Therapie steht – bislang – nicht zur Verfügung. Doch nun kommt neuer Schwung in die Forschung. Nach Ergebnissen eines Forschungsteams der MedUni Wien könnte die Oberfläche der Darmepithelzellen ein neuer Ansatzpunkt für die Entwicklung therapeutischer Strategien sein, die ursächlich angreifen. Erste wegweisende Studienergebnisse wurden im Fachjournal „EMBO Reports“ veröffentlicht.
Die Forschungsgruppe um Bernadette Mödl und Robert Eferl vom Zentrum für Krebsforschung (ZKF) und dem Comprehensive Cancer Center (CCC) der MedUni Wien konnten erstmals zeigen, dass bestimmte Veränderungen im Bürstensaum der Darmepithelzellen mit der Entwicklung von CED in Zusammenhang stehen könnten. Der Bürstensaum besteht aus dichten, fingerförmigen Mikrovilli auf der Oberfläche der Darmepithelzellen. Sie sind durch einen Proteinkomplex (intermikrovillärer Adhäsionskomplex = IMAC) miteinander verbunden, der für eine geordnete Struktur des Bürstensaums verantwortlich ist.
Riskant: fehlendes IMAC-Protein und durchlässige Darmschleimhaut
Ein Protein aus diesem Adhäsionskomplex, nämlich CDRH5, ist bei Patienten mit CED in niedrigeren Mengen vorhanden als bei Gesunden. In Wien wurde deshalb ein Mausmodell mit einem CDHR5-Defizit entwickelt, und damit die Situation eines CDHR5-Mangels imitiert. Die Elektronenmikroskopie zeigte, dass die Mikrovilli im Bürstensaum der „kranken“ Mäuse verkürzt und, wie bei ungekämmten Haaren, völlig ungeordnet waren. „Das allein hat bereits zum Eindringen schädlicher Bakterien und zu Darminfektionen geführt“, erläuterte Mödl.
Eine CED entwickelte sich dagegen erst, wenn die schützende Schleimschicht über den Darmepithelzellen durchlässig wurde. „Reduziertes beziehungsweise fehlendes IMAC-Protein und das damit einhergehende Organisationsdefizit im Bürstensaum haben sich in Kombination mit der Durchlässigkeit der Schleimschicht als möglicher Auslöser von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen herausgestellt“, fasst Studienleiter Robert Eferl die Ergebnisse zusammen. Diese Kenntnisse eröffnen die Chance auf eine kausale Therapie. Wirkstoffe, die die Produktion von IMAC-Proteinen in den Darmepithelzellen fördern, könnten ein Ansatzpunkt für eine ursächliche Therapie von CED darstellen.
Keine fette Kost
Auch die Assoziation von fettreicher Kost mit CED lässt sich durch die aktuellen Studienergebnisse untermauern. Wer fett isst, macht die Schleimschicht im Bürstensaum der Darmepithelzellen durchlässiger. Bei familiärem CDRH5-Defizit könnte dies einer CED Vorschub leisten. (bf)
Publikation: EMBO Reports Bernadette Mödl et al. „Defects in microvillus crosslinking sensitize to colitis and inflammatory bowel disease DOI 10.15252/embr.202357084
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