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Reizdarmsyndrom

Das Reizdarmsyndrom, auch

  • Reizdarm oder Reizcolon
  • Colon irritabile
  • Colon spasticum
  • Colica mucosa
  • Irritables Darmsyndrom (IDS) [engl. Irritable bowel syndrom (IBS)]

genannt, zählt in der Gastroenterologie zu den funktionellen Magen-Darm-Erkrankungen, die sich häufig durch typische Symptomkonstellationen auszeichnen. Zwischen 7 und 25 % der Bevölkerung der westlichen Welt sind betroffen. Ein Reizdarmsyndrom kann die Lebensqualität deutlich einschränken.

Typisch für das Reizdarmsyndrom ist es, dass mit den konventionellen Untersuchungstechniken meist keine biochemischen oder strukturellen Ursachen zu finden sind. Häufig finden Betroffene, die unter dem Reizdarmsyndrom leiden, bei ihrem Arzt nicht das erhoffte Verständnis.

Symptome des Reizdarmsyndroms

Die vielen möglichen Symptome des Reizdarmsyndroms sind leicht zu verwechseln mit den Symptomen anderer Darmerkrankungen. Um das eher ungefährliche Reizdarmsyndrom von anderen Erkrankungen abzugrenzen, ist eine sorgfältige Diagnose notwendig.

Die nachfolgenden, typischen Symptome können zusammen, einzeln oder in beliebiger Kombination bei den Patienten vorhanden sein:

  • Bauchschmerzen,
  • Bauchkrämpfe, oft vor oder während des Stuhlgangs,
  • Unwohlsein,
  • Blähungen,
  • Veränderung des Stuhlverhaltens,
  • Veränderungen der Stuhlbeschaffenheit,
  • wässrig-breiiger oder zu harter Stuhl,
  • häufig auch Wechsel zwischen Verstopfung und Durchfall,
  • Schleim auf dem Stuhl,
  • Gefühl der unvollständigen Entleerung.
  • Wärme bessert meist, während Aufregungen die Symptome eher verschlechtern.

Je nachdem, welche Symptome/Beschwerden bei dem Betroffenen im Vordergrund stehen, unterscheidet man zwischen:

  • RDS-D
    Reizdarmsyndrom mit führendem Durchfall (diarrhoedominantes Reizdarmsyndrom)
  • RDS-O
    Reizdarmsyndrom mit führender Verstopfung (obstipationsdominantes Reizdarmsyndrom)
  • RDS-S
    Reizdarmsyndrom mit führenden Schmerzen (schmerzdominantes Reizdarmsyndrom)
  • RDS-M
    Reizdarmsyndrom mit führenden Blähungen (meteorismusdominantes Reizdarmsyndrom)

Aber auch hier sind Kombinationen der Beschwerden und Symptome häufig. Es können hinzu kommen:

  • geistige und körperliche Erschöpfung sowie
  • andere psychische Symptome.

Wie wird ein Reizdarmsyndrom diagnostiziert?

Nach den derzeit gültigen medizinischen Leitlinien liegt ein Reizdarmsyndrom vor, wenn alle der 3 folgenden Bedingungen erfüllt sind:

  1. Es bestehen chronische, d. h. länger als 3 Monate anhaltende Beschwerden (z. B. Bauchschmerzen, Blähungen), die von Patient und Arzt auf den Darm bezogen werden und in der Regel mit Stuhlgangsveränderungen einhergehen.
  2. Die Beschwerden sollen begründen, dass der Patient deswegen Hilfe sucht und/oder sich sorgt, und so stark sein, dass die Lebensqualität dadurch relevant beeinträchtigt wird
  3. Voraussetzung ist, dass keine für andere Krankheitsbilder charakteristischen Veränderungen vorliegen, welche wahrscheinlich für diese Symptome verantwortlich sein könnten.

Weitere Kriterien, die die Diagnose unterstützen, aber für sich keine Diagnose erlauben, sind:

  • auffällige Stuhlhäufigkeit (z. B. mehr als 3 Mal pro Tag oder weniger als 3 Stühle pro Woche)
  • auffällige Stuhlkonsistenz
  • abnormes Absetzen von Stuhl (z. B. starkes Pressen, imperativer Stuhldrang, Gefühl der unvollständigen Entleerung)
  • schleimiger Stuhl
  • Blähungen und Gefühl des Aufgeblähtseins

Strukturelle oder biochemische Veränderungen des Darmes müssen durch verschiedene Untersuchungen ausgeschlossen werden (siehe oben, Bedingung 3):

Weitere diagnostische Methoden werden diskutiert – so u. a. eine Reizschwellenbestimmung, die die Sensitivität des Darms testet, und die Nahrungsmittelprovokation, die darauf basiert, dass es sich bei den Symptomen auch um eine unentdeckte Nahrungsmittelunverträglichkeit handeln könnte.

Erst wenn alle anderen Störungen ausgeschlossen worden sind, die die Symptome eines Reizdarmsyndroms vortäuschen können, und man mit den o. g. Untersuchungen zu keinem anderen Befund kommt, kann die Diagnose „Reizdarmsyndrom“ gestellt werden.

Individuelles diagnostisches Programm

Für jeden Patienten, der mit den o. g. Beschwerden einen Arzt aufsucht, sollte ein individuelles diagnostisches Programm erstellt werden. Dies sollte aus einem Basisprogramm und symptombezogenen Ergänzungsuntersuchungen bestehen.
Das individuelle Untersuchungsprogramm und die Untersuchungen sollten von einem erfahrenen Arzt erstellt und durchgeführt werden, die Diagnose sichern und Grundlage einer Therapieempfehlung sein.

Ursachen

Das Reizdarmsyndrom hat keine einheitliche oder gesicherte Ursache. Veränderungen der Immunreaktion und psychische Faktoren scheinen eine Rolle zu spielen, und möglicherweise liegt bei einer bestimmten Form des Reizdarmsyndroms (RDS-D) eine Glutenüberempfindlichkeit vor.

Auch eine Besiedlung des Dünndarms mit Bakterien aus dem Dickdarm könnte für die Symptome verantwortlich sein (bakteriell-intestinale Fehlbesiedlung). Diese Ursache kann eine H2-Atemtestuntersuchung nach Glukosebelastung klären.

Bei einigen Patienten mit einem Reizdarmsyndrom (bis zu 17 %) entwickeln sich die Symptome nach einer infektiösen Magen-Darm-Erkrankung. Der Grund hierfür ist unbekannt (postinfektiöses RDS).

Häufig kann bei vielen Betroffenen eine gesenkte Schmerzschwelle (Hyperalgesie) im Darm nachgewiesen werden.

Vermutet wird auch, dass die Zuckerkrankheit (Diabetes) das Risiko für ein Reizdarmsyndrom verstärkt. Der erhöhte Zuckergehalt führt an den inneren Schleimhäuten zu verstärkter bakterieller Besiedelung und kann dadurch Ursache einer bakteriellen Fehlbesiedlung mit RDS sein. Darüber hinaus können Medikamente, die wegen des Diabetes eingenommen werden, wie z. B. Metformin, Durchfall und andere typische  Reizdarmsymptome auslösen.

Während Nahrungsmittelunverträglichkeiten bei etwa 2-25 % aller Menschen vorkommen, leiden Reizdarmpatienten hierunter wesentlich häufiger: in 50-70% der Fälle.

Stress und andere psychische Faktoren wie belastende Lebensereignisse stehen im Verdacht, die Reizdarmsymptome auslösen oder verstärken zu können.

Therapie

Die Behandlung des Reizdarmsyndroms ist immer symptombezogen und zielt auf eine Besserung der Beschwerden ab, die den Patienten am meisten belasten. Hierzu können verschiedene Medikamente/Verfahren eingesetzt werden, einzeln oder in Kombination (siehe Tabelle).

Symptombezogene Behandlung des RDS

Spasmolytika ++ + + (+) -
5HT4 Agonisten - - ++ - -
Antidiarrhoika (+) ++ - + -
Ballaststoffe - (+) ++ - -
Probiotika (+) + (+) ++ -
Phytotherapeutika (+) - (-) ++ -
Trizyklische Antidepressiva + (-) - - ++
Hypno-/Psychotherapie + (-) + + ++

Ein Behandlungskonzept, das sich im Wesentlichen auf drei Säulen stellt, sollte anhand der Untersuchungsergebnisse erfolgen:

  • Allgemeinmaßnahmen wie ärztliche Führung, Ernährung etc.
  • Medikamentöse Therapie
  • Psychotherapie bzw. psychosomatische Grundversorgung

Häufigkeit

In den westlichen Ländern sind etwa 7–25 % der Bevölkerung betroffen, und zwar mehr Frauen als Männer. Das Reizdarmsyndrom kommt familiär gehäuft vor. Allein in Deutschland leiden etwa 9-10 Millionen Menschen unter dem Reizdarmsyndrom. Nur etwa 30 % von ihnen gehen wegen ihrer Beschwerden zum Arzt.

Alarmzeichen

Falls folgende Faktoren hinzukommen, sollten Sie in jedem Fall einen Spezialisten aufsuchen:

  • Gewichtsverlust
  • Blut im Stuhl
  • nächtliche Symptome
  • zunehmende Beschwerden
  • Anämie (Blutarmut)
  • Alter > 50 Jahre
  • Darmkrebsfälle in der Familie

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Letzte Änderung: 01.07.2023

Autoren

Daniel Cording

Dr. med. Daniel Cording

Facharzt Innere Medizin und Gastroenterologie
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Lars Konopka

Dr. med. Lars Konopka

Facharzt Innere Medizin und Gastroenterologie
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